Wer trifft, hat recht?

Immer wieder hört man das Argument: „Wenn ich getroffen habe, war es der perfekte Schuss." Wer trifft, hat demnach recht, hat also optimal geschossen. Leider bleibt es meistens bei diesem einen Treffer. Ein zweites oder gar drittes Mal gelingt den Wenigsten dieser tolle Schuss. Genauer betrachtet, war es kein perfekter Schuss, sondern „nur" ein perfekter Treffer. Aber eines der Grundaxiome im Bogensport ist die Wiederholbarkeit. Und diese gelingt nur mit einer guten, im Idealfall einer perfekten Technik.

Wie schätze ich mich selber ein?

Man kann seine eigenen Fähigkeiten relativ gut einschätzen. Auch wenn man das nicht jedem auf die Nase binden muss. Trotzdem gibt es immer wieder Leute, die sich maßlos überschätzen und in ihren Erzählungen besser als der Weltmeister sind. Und beim Bogenschießen ist es nicht anders. Leider kann man hier nur eingeschränkt tricksen. Wer nicht trifft, kann nicht angeben; so einfach ist das.

Es wäre also ratsam, seine eigene Trefferwahrscheinlichkeit einigermaßen einschätzen zu können. Wer also auf 50 Meter einen Streukreis von 5 Meter hat, braucht sich bei einem Schuss, der 10 Zentimeter drüber geht, nicht zu ärgern. Deshalb sollte man seinen Streukreis auf unterschiedliche Entfernungen in etwa kennen. Als Streukreis bezeichne ich den Bereich, in dem 80% der Pfeile stecken.

Wobei immer dazu gesagt werden muss, dass das auch wieder nur bei einer einigermaßen guten Schusstechnik zutrifft. Wer bei jedem Schuss anders schießt, kann natürlich auch seine eigene Leistungsfähigkeit nicht richtig einschätzen. Wenn also jemand einmal mit einer abenteuerlichen Schusstechnik trifft, fällt das unter reinen Zufall. Bei den nächsten Schüssen ist er nämlich wieder weit daneben. Es fehlt schlicht und einfach die Einschätzung: „Wie gut kann ich auf eine bestimmte Entfernung treffen?„ Der Unterschied zwischen Zufall und statistischer Wahrscheinlichkeit ist hier nicht bekannt.

Was kann man also tun? Nun man muss sich einfach nur den Streukreis auf bestimmte Entfernungen ausschießen. Dazu muss man zuerst die Entfernungen festlegen, bei denen man es feststellen will. Wer mit einem 20-Pfund-Bogen das auf 50 Meter machen will, wird wenig Erfolg haben. Deshalb sollte man folgendermaßen vorgehen:

Schritt 1: Feststellen der maximalen Schussentfernung für den eigenen Bogen und seinen derzeitigen Leistungsstand.
Schritt 2: Festlegen der Entfernungen für das Ausschießen des Streukreises. Wer eine kurze Maximalentfernung hat, kann das in Fünf-Meterschritten tun, wer bis 54 Meter schießen kann, wird unter Umständen mit einer 10-Meter-Einteilung auskommen.
Schritt 3: Ausschießen des Streukreises. Dazu schießt man auf die jeweiligen Entfernungen auf möglichst große Auflagen. Für den Anfang könnte man 15 Pfeile auf jede Entfernung schießen. Dann streicht man die drei schlechtesten Pfeile (=20%). Der schlechteste der 12 übriggebliebenen Pfeile definiert den Rand des Streukreises.
Schritt 4: Die Übung 3 macht man regelmäßig. Dabei sollte der Streukreis immer kleiner werden. Um das auch sehen zu können, sollte man sich dazu schriftliche Aufzeichnungen machen.

Schlussfolgerung

Die Begriffe Zufall und Wahrscheinlichkeit sind unterschiedlich zu beschreiben. Und man sollte beim Bogenschießen auch die Unterscheidung machen, vor allem dann, wenn man seine eigene Leistung richtig einschätzen will.

Ein Zufall ist nicht vorhersagbar. Es kann für ein einzelnes Ereignis oder das Zusammentreffen mehrerer Ereignisse keine kausale Erklärung gefunden werden. Übertragen auf das Bogenschießen heißt das, dass unser Dirk nicht voraussehen konnte, dass er bei einem Schuss genau in die Mitte trifft. Genau sowenig konnte er voraussagen, ob der zweite oder dritte Pfeil trifft oder nicht.

Bei der Wahrscheinlichkeit gibt es dann aber einen kausalen Zusammenhang. Nämlich in der Form, dass die Schuss- und Zieltechnik so gut trainiert sein müssen, dass ich eine bestimmte Wahrscheinlichkeit angeben kann. Hat man einen Überblick über seine eigene Leistungsfähigkeit, beispielsweise man hat den Streukreis ausgeschossen, kann man mit einer bestimmten Wahrscheinlichkeit sagen, dass man das Ziel trifft. Man könnte zum Beispiel bei einer Entfernung von 40 Meter sagen, dass man das Ziel zu 80 Prozent trifft, wenn der Streukreis auf diese Entfernung genauso groß ist wie das Ziel. Das heißt aber nicht, dass ich jeden Schuss auch voraussagen kann, sondern nur, dass ich von 10 Schüssen in der Regel bei 8 treffe.